Barrierefreiheit im Web
Wie barrierefreie Websites nicht nur gesetzlichen Anforderungen genügen, sondern auch Reichweite, Usability und Markenvertrauen stärken.
Digitale Barrierefreiheit ist weit mehr als ein technisches Detail. Sie ist ein zentraler Baustein für Inklusion, Teilhabe und Chancengleichheit in der digitalen Gesellschaft. Menschen mit Einschränkungen sind auf barrierefreie Zugänge angewiesen – sei es beim Besuch einer Website, beim Ausfüllen eines Formulars oder bei der Nutzung eines Online-Shops.
In diesem Beitrag beleuchten wir, was digitale Barrierefreiheit konkret bedeutet, wen die gesetzlichen Anforderungen betreffen, wie ein fundierter Check der eigenen Website abläuft – und warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um aktiv zu werden.
Digitale Barrierefreiheit – was bedeutet das?
Eine barrierefreie Website ermöglicht es allen Menschen, unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen, die angebotenen Inhalte gleichberechtigt zu nutzen. Das betrifft nicht nur offensichtliche Aspekte wie die Lesbarkeit von Texten oder die Größe von Bedienelementen, sondern vor allem auch:
- eine sinnvolle semantische Struktur im Quellcode,
- die Bedienbarkeit per Tastatur oder assistiven Technologien wie Screenreadern,
- Alternativtexte für Bilder,
- die ausreichende Kontrastgestaltung von Farben,
- und die Verständlichkeit der Sprache.
Die Grundlage für die barrierefreie Gestaltung digitaler Inhalte bilden die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), derzeit in Version 2.1 bzw. 2.2. In Deutschland gelten zusätzlich die Bestimmungen der BITV 2.0 (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) für öffentliche Stellen.
Wer ist betroffen?
Kurz gesagt: Sobald eine Website einen digitalen Zugang zu einer Leistung ermöglicht, bei dem sich ein Geschäft anbahnen oder abwickeln lässt, gilt sie als „schnittstellenrelevant“ – und unterliegt damit dem BFSG.
Nicht betroffen sind aktuell z. B. Kleinstunternehmen unterhalb der Schwellenwerte, rein informierende Websites ohne Interaktion oder rein interne Anwendungen. Dennoch lohnt sich Barrierefreiheit auch für diese Fälle – als Qualitätsmerkmal, für bessere Usability und zur Reichweitenerhöhung.
Die Guidelines
Barrierefreiheit im digitalen Raum betrifft längst nicht mehr nur Behörden oder öffentliche Einrichtungen. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das ab dem 28. Juni 2025 verbindlich wird, geraten nun auch viele Unternehmen der freien Wirtschaft in die Pflicht.
Konkret gilt die gesetzliche Verpflichtung für alle Unternehmen, die:
- mehr als 10 Mitarbeitende beschäftigen oder
- einen Jahresumsatz von mehr als 2 Millionen Euro erzielen
Weitere Voraussetzungen
Betroffen sind gleichzeitig Websites, die digitale Dienstleistungen oder Produkte anbieten, bei denen eine geschäftliche Handlung online erfolgen kann – etwa ein Vertragsabschluss, eine Buchung oder ein Verkauf. Das betrifft z. B.:
- Online-Shops jeder Größe
- Reisebüros und Veranstalter mit Buchungsfunktionen
- Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister, die digitale Kundenportale anbieten
- Fitnessstudios, Kliniken, Praxen oder Bildungseinrichtungen mit Online-Terminbuchung
- Agenturen, Softwarefirmen oder Handwerksbetriebe mit Angebots- oder Kontaktformularen
- Dienstleister mit Login-Bereich oder Self-Service-Angeboten
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
In der Praxis zeigt sich häufig:
✔ Die Navigation ist nicht vollständig per Tastatur bedienbar.
✔ Bilder und Grafiken haben keine oder unzureichende Alternativtexte.
✔ Formulare sind für Screenreader schwer zugänglich.
✔ Die Farbkontraste reichen nicht für eine barrierefreie Darstellung aus.
✔ Die Strukturierung des Codes erschwert die Nutzung mit assistiven Technologien.
Barrierefreiheit hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt und ist heute wichtiger denn je. Deshalb ist es sinnvoll, bestehende Websites regelmäßig auf Barrierefreiheit zu überprüfen.
Der erste Schritt: ein Barrierefreiheits-Check
Bevor Maßnahmen zur Optimierung ergriffen werden können, braucht es eine klare Analyse: Welche Seiten müssen barrierefrei sein? Welche Anforderungen gelten konkret? Wo bestehen Schwachstellen – technisch, gestalterisch, redaktionell?
Ein Barrierefreiheits-Check (auch Audit genannt) liefert hier die nötige Entscheidungsgrundlage. Er prüft u. a.:
- die technische Struktur (HTML, ARIA-Rollen, Fokusreihenfolge),
- die visuelle Gestaltung (Kontraste, Schriftgrößen, Responsivität)
- die semantische und sprachliche Verständlichkeit,
- und die Kompatibilität mit assistiven Technologien.
Der Check sollte systematisch und normbasiert erfolgen – z. B. nach den WCAG 2.1/2.2 und der BITV 2.0. Je nach Komplexität der Website kann er manuelle Prüfungen, automatisierte Tests und Nutzer:innenfeedback kombinieren.
Wichtig: Ein solcher Audit verursacht Aufwand – aber er verhindert teure Fehlentwicklungen, schafft Transparenz und ermöglicht eine gezielte Umsetzung.
Barrierefreiheit umsetzen: oft mehrschrittig
Die Auswertung des Checks zeigt, welche Barrieren bestehen – und wie groß der jeweilige Aufwand zur Beseitigung ist. Je nach Ergebnis können folgende Schritte erforderlich werden:
- Nachbesserung der semantischen Struktur im Code
- Optimierung der Navigation und Tastatursteuerung
- Anpassung der Kontraste und Farben im Design
- Einpflegen von Alternativtexten und ARIA-Labels
- Überarbeitung von Texten für bessere Verständlichkeit
Warum sich Barrierefreiheit auch wirtschaftlich lohnt
Barrierefreiheit ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung – sie verbessert die Nutzererfahrung insgesamt. Studien zeigen, dass barrierefreie Websites:
- bessere Ladezeiten und Performance bieten,
- eine höhere Sichtbarkeit in Suchmaschinen erreichen,
- die Conversionrate verbessern,
- und die allgemeine Nutzerzufriedenheit steigern.
Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – und einer zunehmend diverseren Gesellschaft – wird Barrierefreiheit zum Wettbewerbsvorteil. Sie zeigt: Wir nehmen alle Nutzer:innen ernst.